Durch das Gewitter "tanzen" 16. Juli 2021
Wir starten in Pontresina, um die Föhnresten nutzen zu können. Über ein wildromantisches Roseg-Tal erreichen wir die Chamanna Cuoz auf 2611m, durchnässt, müde, frierend. Im zweieinhalbstündigen, zügigen Aufstieg kam der Regen doch noch, kombiniert mit Hagel und heftigem Wind. Für einmal galt es durchs Gewitter zu "tanzen". In der Berghütte schlüpfen wir nach der warmen Suppe unter Bettdecken, nachmittags um drei Uhr um wieder aufzuwärmen. Vierundzwanzig Stunden später kommen wir bereits wieder zu Hause bei unseren Familien an. Wunder- wunderschöne Erinnerungen im «Rucksack», den Glanz des Sonnenaufgangs über dem Roseg-Gletscher im Gesicht… den Ton des tauenden Eises jenes kleinen Seeleins auf knapp 3000m morgens um halb sieben in den Ohren, die Wechsel von der Steinwüste der Fuorcla Surlej in die Wälder des Oberengadins mit den satten Grüntönen vor Augen. Und: Worte! Sätze! Zitate, die heranreiften im Teilen von aktuellen Situationen. Irgendwie haben solche Tage einfach eine andere Prägnanz als vorübereilende «All-Tage». Da ziehst du über eine Hochebene, zeigst dem anderen die nächsten Murmeltiere, die bei einem Stein spielen, staunst einmal mehr über die gegenüberliegenden zerklüfteten Gletscher unterhalb des mächtigen Bernina-Massivs und kannst Inputs einsickern, an dich herankommen lassen. In der Bewegung und der Stille bekommen geschilderte Herausforderungen und Überzeugungen, Meinungen und Stellungnahmen den nötigen Raum, um sich setzen zu können. Es ist, wie wenn sich der aufgewirbelte Staub, der in Gesprächen oft bei ersten Tönen mitschwingt, dort oben in der Bergluft besser setzen könnte und man die Gelegenheit bekommt, um jene Essenzen herauszufiltern, die womöglich gerade für mich echt interessant und wichtig sein könnten. Ich öffne mich. Feinfühlig und ganzheitlich habe ich mich dem Freund zugewandt. Es gelingt, sich zumindest ansatzweise in anvertraute Situationen hineinzufühlen. Die Seele kommt für einmal etwas besser mit. Wir freuen uns mit. Wir leiden mit. Schmerz und Jubel geht zum Teil Hand in Hand.
Wir hören einander zu.