Selbstbestimmung am Lebensende auch in Pflegeeinrichtungen

Selbstbestimmung am Lebensende auch in Pflegeeinrichtungen 20. März 2024

Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Damen und Herren,

Weltbilder bewegen uns. Weltbilder sind verschieden.

Bis heute gibt es viele Menschen, nicht zuletzt in einem wertemässig eher konservativen Thurgau, für die «Leben» immer noch ein Wunder ist, das in sich wertvoll, kostbar, höchstes Gut ist. Ein Gut, das nicht angetastet wird, auch dann nicht, wenn Kontrolle und Selbstbestimmung schwinden.

Für solche Menschen ist das Weltbild, das differenziert zwischen dem entbehrlichen Menschen als biologischem Organismus und der Person, die Rechte und Pflichten hat zu entscheiden höhst befremdend.

Es gibt gute Gründe, um zu sagen: Menschliches Leben besitzt einen inhärenten, ihr innewohnenden Wert. In der Konsequenz unterliegt menschliches Leben nicht einer rein utilitarischen Kosten-Nutzen-Analyse.

Die Krux ist: Diese Werte sind massiv unter Druck. Der Druck auf betroffene Menschen, auf uns alle nimmt laufend zu. Je länger je mehr werden die Fragen bezüglich dem begleiteten Suizid nicht erst gestellt, wenn Menschen schwer krank sind, sondern bereits viel früher. Viele Menschen übernehmen zunehmend die Vorstellung, der Wert ihres Lebens habe einen Zusammenhang mit dem drohenden Verlust des Selbst, der Reduktion ihrer Fähigkeiten und Lebensqualität. Das kann zu folgenden Sätzen führen: «Ich habe Angst, zunehmend zu einer Belastung zu werden». «Ich habe hohen Respekt, eines Tages Hilfe zu benötigen». Und solche Fragen nehmen an Heftigkeit zu, wenn du mitkommst, dass dein Nachbar im Pflegeheim begleitet seinem Leben ein Ende bereiten will.

Es ist verständlich und naheliegend, dass es Menschen das Herz bricht, wenn Menschen denken, sie müssten auf eine bestimmte Weise funktionieren, um wertvoll zu sein.

Der Theologe David Hart sagte es wie folgt: «Es gib eine Herrlichkeit, die in den Tiefen jedes Menschen verborgen liegt.» Heime, Pflegeeinrichtungen, die grundsätzlich und ohne Wenn und Aber von der Würde des Menschen überzeugt sind, sind angewiesen auf die Freiheit, dieses Weltbild sichtbar machen zu dürfen, indem sie den begleiteten Suizid in ihren Einrichtungen zulassen oder eben nicht zulassen. Deshalb bitte ich sie, die vorliegende parlamentarische Initiative abzulehnen.

Christian Stricker
Kantonsrat EVP

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