Testfall Münsterlingen 19. April 2023
Geschätzte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen,
Die Kluft zwischen damals und heute bewegt und ist eine echte Herausforderung. Mitten da hinein erkenne ich einen roten Faden, der sich bis heute durchzieht: «Wenn es um psychisch Kranke geht, wird es in der Regel ruhig, sehr ruhig.»
Ich sage das, wenn ich um Jahrzehnte zurückblende und mich erinnere an jene Besuche zusammen mit der Nonna in der psychiatrischen Klinik Münsterlingen. Die Nonna besuchte regelmässig eine ältere Frau. Ich nenne sie heute Trudi. Sediert, verlangsamt begleiteten wir sie jeweils ins Freie und setzten uns auf eine Bank. Die Grossmutter nahm Trudi an Wochenenden zu sich nach Hause, kompensierte Medikamente mit Nähe. War Trudi eine Frau, die sogar Medikamentenversuche über sich ergehen lassen musste, gut gemeint und doch zum Teil in sich falsch und fatal?
Ruhig ist es bis heute, wenn es um psychisch Kranke geht. Das sage ich aufgrund der Begleitung psychisch kranker Jugendlicher und junger Erwachsener. Oft sind es zum Glück temporäre Geschichten. Aber wer berichtet schon gerne darüber? Wer will darüber berichten?
Ja, Covid-Geschichten förderten die Sensibilität für dieses Thema und doch ist es nach wie vor sehr ruhig rund um dieses Thema.
Körperlich beeinträchtigte Menschen haben im Vergleich eine starke Lobby, die sich spürbar, zielstrebig, effektiv einsetzt.
In diese so oft fatale Stille hinein besteht aus diversen Gründen das ausgewiesene Risiko, dass einmal mehr eine offensichtlich notwendige Wiedergutmachung aufgrund eines juristischen Dschungels in der Versenkung verschwindet; dass sich einmal mehr der Teppich des Schweigens durchsetzt.
Da hinein begrüsst eine Minderheit der Fraktion «Die Mitte / EVP» die Neubeurteilung durch den RR und die Empfehlung, gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten zugunsten der finanziellen Wiedergutmachung für betroffene Menschen von Medikamententexts in der Psychiatishen Klinik.
Mit einem Ja zu dieser Motion geben wir die Chance, dass zumindest noch einige Personen von einer Wiedergutmachung profitieren. Es soll ein Ja sein, das uns ermutigt, über diese alte Geschichte hinaus psychisch Kranke echt wahr- und ernst zu nehmen.
Gelder wurden bereits reserviert, um einen Anfang zu machen. Die Pharmaindustrie ist gut beraten, diesen Faden aufzunehmen und konstruktiv nach Wegen zu suchen, um auch ihren Beitrag leisten zu können.
Lasst uns diese Motion erheblich erklären
Besten Dank für die Aufmerksamkeit!
Christian Stricker
Kantonsrat EVP